
Frau Professorin Steinbeck, Sie haben gerade Ihr Zehnjähriges als Rektorin der HHU begangen. In diesem Jahr steht das 60-jährige Bestehen der HHU an. Wie werden Sie das feiern?
Prof. Dr. Anja Steinbeck: Zum 50. hatten wir, neben mehreren kleineren Events, eine zentrale Jubiläumsveranstaltung. Dieses Mal feiern wir anders: Es wird keinen großen Festakt für geladene Gäste geben, dafür aber rund 60 verschiedene Veranstaltungen – einige davon akademisch und gesellschaftlich relevant, andere bieten einfach gute Unterhaltung. Bei aller Freude über wissenschaftliche Tiefe: Ganz besonders freue ich mich nach zehn Jahren wieder auf unseren Rosenmontagswagen, den Jacques Tilly erneut eigens für das HHU-Jubiläum gestaltet hat.
Die HHU ist für ihr gesellschaftliches Engagement bekannt. Welche Projekte oder Initiativen stechen besonders hervor, und wie gestaltet sich die Rolle der Universität in der Stadt?
Prof. Steinbeck: Die gesellschaftliche Verantwortung der Universität ist für mich ein ganz zentrales Anliegen. Wir bringen Wissen und Forschung aktiv zu den Menschen – durch Bürgerdialoge, Kooperationen mit Bildungseinrichtungen, Science Slams und Partnerschaften, etwa im Bereich Sport und Nachhaltigkeit. In der Region sind wir eng vernetzt, unter anderem mit der „Wissensregion Düsseldorf“, einem Zusammenschluss führender Institutionen, die mit- und voneinander lernen.
Der Begriff „Bürgeruniversität“ ist für die HHU mittlerweile etabliert. Was bedeutet er für Sie, und wie wird er im Alltag gelebt?
Prof. Steinbeck: Eine Bürgeruniversität bedeutet für mich, dass wir uns nicht als abgeschottete Institution verstehen, sondern als aktiver Teil des Alltags und – weil letztlich alles um uns herum mit Forschung und Wissen zu tun hat – als Teil der Lebenswirklichkeit. Wir laden Bürgerinnen und Bürger ein, an unserer Forschung teilzuhaben, sei es durch öffentliche Vorträge, Kulturveranstaltungen oder partizipative Projekte. Der primäre Austragungsort ist das Haus der Universität mitten im Zentrum. Es ist schon seit Jahren ein Besuchermagnet dank des vielseitigen und spannenden Programms.
Aber warum nehmen Sie und die Forscherinnen und Forscher der HHU diesen zusätzlichen Aufwand überhaupt auf sich?
Prof. Steinbeck: Unser Leitmotiv „Wissen schaffen, Wissen teilen“ folgt meiner Überzeugung, dass Wissenschaft nicht losgelöst von der Gesellschaft existieren darf. Ja, wir verstehen es wirklich als unsere Aufgabe, neben Forschung und Lehre unsere Erkenntnisse so zu teilen, dass sie greifbar für die Gesellschaft werden. Wir möchten den Austausch fördern, um gemeinsam möglichst viele Herausforderungen zu bewältigen und Lösungen zu entwickeln. Das stärkt nicht nur das Verständnis für Wissenschaft, sondern fördert auch das Vertrauen in wissenschaftliche Arbeit. Und jetzt, in einer Zeit voller Desinformation, fühlen wir uns besonders verpflichtet, als verlässliche Quelle vertrauenswürdiger Informationen zu agieren.
Wie positioniert sich die HHU in diesem Zusammenhang in einer sich ständig wandelnden Landschaft sozialer Netzwerke?
Prof. Steinbeck: Die Dynamik von Social Media fordert uns heraus, kritisch zu beobachten, wie sich diese Plattformen entwickeln und welche Reichweite sie für uns bieten. Es ist eine äußerst besorgniserregende Entwicklung, dass sich in den sozialen Medien ungeprüfte Falschinformationen durchsetzen. Wobei die lautesten, extremsten Stimmen den meisten Zuspruch finden, während seriöser Journalismus und die Stimme der Wissenschaft zurückgedrängt wird. Unser Ziel ist es, vorhandene Ressourcen so einzusetzen, dass wir den größtmöglichen Dialog erreichen und Forschung sichtbarer machen. Ein Beispiel hierfür ist der von der HHU organisierte zeitgleiche Ausstieg deutscher Institutionen aus Twitter/X zugunsten einer Konzentration auf neue Netzwerke, die einen fairen und respektvollen Dialog fördern.
Zum dritten Mal in Folge ist die HHU Ende 2024 Spitzenreiterin bei den Deutschlandstipendien in Nordrhein-Westfalen. Was bedeutet dieser Erfolg für die Universität, und wie funktioniert das System des Deutschlandstipendiums?
Prof. Steinbeck: Er zeigt, wie stark die Verbindung zwischen Studierenden und Stadtgesellschaft ist. Das Deutschlandstipendium ermöglicht Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen, direkt in die Zukunft unserer talentierten jungen Menschen zu investieren. Dabei wird der gestiftete Betrag von 1800 Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung verdoppelt, so dass die Stipendiatinnen und Stipendiaten monatlich dreihundert Euro erhalten. Und das wirkt weit über die finanzielle Unterstützung hinaus: Sie motiviert, schafft Perspektiven und stärkt Vertrauen in die Wissenschaft. Zugleich führt sie die Stifter und jungen Talente zusammen, was generationenübergreifend das Kernelement der Bürgeruni – also den Wissenstransfer und Dialog – wachsen lässt. Besonders hervorzuheben ist die Gesellschaft von Freunden und Förderern der HHU (GFFU), einer der größten Fördervereine für Universitäten in Deutschland, die sich dankenswerterweise maßgeblich in diesem Sinne einsetzt.
Was bedeutet Ihnen die Namensgebung der Universität nach Heinrich Heine?
Prof. Steinbeck: Die Entscheidung, unsere Universität nach Heinrich Heine zu benennen, war ein mutiger Schritt der damaligen Studierenden, des Senats und meines Amtsvorgängers Gert Kaiser. Heine verkörpert Toleranz, Aufklärung und eine feinsinnige Ironie, die uns auch heute Orientierung bieten. Nur ein Beispiel unter vielen: Sein zeitloses Zitat, das Sie in diesem Jahr auf unserem Karnevalswagen lesen können „Wer nie im Leben töricht war, ein Weiser war er nimmer“ erinnert uns daran, dass der Weg zu klugen Ideen auch über Fehler und Irrtümer führt. Heines Werte prägen unsere Universität und machen den Namen zu einer Verpflichtung.
ZAHLEN, DATEN, FAKTEN
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf im Jahr 2025
5 Fakultäten
Juristische Fakultät
Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät
Medizinische Fakultät
Philosophische Fakultät
Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät
Rund 30.000 Studierende
92 Studiengänge
530 Internationale Partnerschaften
430 Erasmus-Partnerschaften
100 Partner auf Universitäts-, Fakultäts- und Institutsebene
Mitglied in UNIVERSEH – europäische Hochschulallianz zum Thema Raumfahrt
1.315.119 Quadratmeter Campusfläche
8789 Räume
1068 Labore
334 Professorinnen und Professoren
2447 wissenschaftliche Mitarbeitende
1421 weitere Mitarbeitende
Rund 100 Nationalitäten auf dem Campus
über 4100 internationale Studierende
52 bilinguale und englischsprachige Studiengänge