ANZEIGE

UNTERNEHMENSKULTUR MIT WEITBLICK Faktor zufriedene Mitarbeiter beim NGZ-Forum in Neuss

Arbeitnehmer und Unternehmen wünschen sich mehr Homeoffice, doch das ist nicht immer möglich. Das NGZ-Forum behandelte die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft.

Das NGZ-Forum „Zukunft unternehmen“ fand dieses Mal in den Räumlichkeiten der Johanniter in Neuss statt. FOTOS (6): ALOIS MÜLLER

Work-Life-Balance – der Begriff zieht sich mittlerweile durch jede Definition eines Erwachsenenlebens. Natürlich gehörte schon immer die Erholung von der Arbeit dazu, und das Arbeitsrecht sichert sie auch zu – mit der Einführung des Acht-Stunden-Tags bereits vor mehr als 100 Jahren, in jüngerer Vergangenheit etwa durch Entscheidungen, dass ein Arbeitnehmer in seiner Freizeit per Handy oder E-Mail nicht erreichbar bleiben muss. 

Gleichzeitig fordert der neue Bundeskanzler Friedrich Merz, in Deutschland müsse wieder mehr gearbeitet werden – und wird darin durch eine aktuelle Auswertung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) bestätigt, wonach in Europa nur die Franzosen und Belgier noch weniger Stunden arbeiten, die Neuseeländer dafür im Durchschnitt aber fast 400 Stunden mehr als wir (1402 zu 1036). Weil aber gleichzeitig die Erwerbsquote hierzulande hoch ist und manch einer jetzt gerade im Kopf überschlägt, wie hoch seine Jahresarbeitszeit eigentlich ist, liegt ein Grund in dem niedrigen Pro-Kopf-Wert in der Teilzeitarbeit. 

Der Wunsch nach einer Stundenreduzierung kommt immer häufiger auf, auch in Branchen, in denen man nicht unbedingt zuerst damit rechnet. „Wir stellen fest, dass immer mehr Mitarbeitende in Teilzeit wechseln möchten, selbst unter den Triebfahrzeugführern, die weitestgehend männlich sind“, berichtete Saskia von Bülow von den Neuss-Düsseldorfer Häfen. Dies führe zu großen Herausforderungen, insbesondere wenn es einen Schichtplan zu besetzen gelte. Und das nicht nur im Hafenbetrieb – im Rettungsdienst müssen die Krankenwagen oder in der Pflege die Stationen rund um die Uhr besetzt sein. 

"WIR STELLEN FEST, DASS IMMER MEHR MITARBEITENDE IN TEILZEIT WECHSELN MÖCHTEN, SELBST UNTER DEN TRIEBFAHRZEUGFÜHRERN, DIE WEITESTGEHEND MÄNNLICH SIND"

Saskia von Bülow, Neuss-Düsseldorfer Häfen

Etwas klarer fällt der Umgang mit Homeoffice aus. Die Arbeit von zu Hause musste mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie schnell möglich gemacht werden, und auch danach sind viele Beschäftigte – zumindest dauerhaft – nicht ins Büro zurückgekehrt. Das bedeutet mehr Flexibilität für sie, und manche Studien weisen sogar eine gestiegene Produktivität durch Homeoffice aus. Richard Krings von den Johannitern kann im Rettungsdienst natürlich kein Homeoffice einführen. „In der Verwaltung machen wir das möglich. Die einen möchten mehr von zu Hause arbeiten, die anderen weniger. Ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass die Mitarbeiter der Standorte gerne beisammen sind. Das Sozialgefüge wird also durchaus auch geschätzt“, berichtete Krings. Er spüre, dass es den Arbeitnehmern zurzeit weniger um die „harten Aspekte“ wie die Gehaltssumme gehe, sondern mehr um weiche Faktoren wie Benefits und wie sie Job und Freizeit in Einklang bringen können. „Unterm Strich haben wir dadurch weniger Arbeitskapazitäten zur Verfügung.“ 

Daher mahnte auch Jürgen Steinmetz von der IHK, dass Work-Life-Balance zwar ein wichtiger Faktor sei, „aber es muss uns auch gelingen, die internationale Wettbewerbsfähigkeit wiederherzustellen“. Deshalb müsse beides gelingen: „Ein attraktiver Arbeitgeber zu sein – zum Beispiel durch eine gute Unternehmenskultur und ein gutes Arbeitsumfeld sowie Entwicklungsmöglichkeiten für die Mitarbeitenden, Mitgestaltungsmöglichkeiten, ein Betriebliches Gesundheitsmanagement und ein positives Unternehmensimage.“ Aber es brauche auch die Leistungsbereitschaft und den Einsatz der Mitarbeitenden für ihr Unternehmen, so der IHK-Hauptgeschäftsführer. „Im internationalen Vergleich arbeiten die Beschäftigten in Deutschland weniger, wir dürfen den Anschluss nicht verlieren.“ 

Teilzeit muss auch in die Struktur des Betriebs passen, so die Meinung am runden Tisch des NGZ-Forums. Dem stimmte Andreas Degelmann voll zu. „Doch da werden wir durch Tarifverträge eingeschränkt“, stellte der Geschäftsführer der St. Augustinus Gruppe fest. 

Er nannte zwei Aspekte für seine Branche: „Die erste wichtige Frage für mich ist, ob die Leute Spaß an ihrer Arbeit haben. Die umfangreiche Dokumentationspflicht macht keinen Spaß – und steht auch nicht so in ihrer Jobbeschreibung. Wir brauchen diese Leute auf der Station. Zweitens finden wir es gut, wenn Leute selbst entscheiden, wie viel und wann sie arbeiten wollen. Natürlich braucht es Regelungen, die das ein Stück weit beschränken, damit es nicht zu einer Selbstausbeutung kommt. Das bedeutet auch, dass wir als Arbeitgeber deutlich flexibler werden müssen in der Einsatzmöglichkeit von Mitarbeitenden. Wenn jemand in der Vier-Tage-Woche arbeiten möchte, dann ist es zwar sinnvoll, das über Tarifverträge zu klären – aber das ist heute nicht möglich. Unsere Haltung ist: Ein Tarifvertrag darf den Wahlwunsch einzelner Mitarbeitender nicht verhindern“, sagte Degelmann. „Die Vier-Tage-Woche verbinden wir dabei auch nicht zwangsläufig mit einer Stundenreduzierung. Die Diskussion über eine Wochenarbeitszeit statt des Acht-Stunden-Tags sehen wir daher grundsätzlich positiv.“ 

Die Einbindung der Beschäftigten in Entscheidungsprozesse, soweit es möglich ist, spielt daher auch eine Rolle bei der Arbeitnehmerzufriedenheit. „Mehr Arbeitnehmerzufriedenheit erhöht die Produktivität“, sagte Jürgen Steinmetz und führte weiter aus: „Ich werbe für einen wertschätzenden und respektvollen Umgang, eine offene Kommunikation und viel Teamgeist und Zusammenarbeit. Das schafft Vorteile im Wettbewerb.“ 

"DIE VIER-TAGE-WOCHE VERBINDEN WIR DABEI AUCH NICHT ZWANGSLÄUFIG MIT EINER STUNDENREDUZIERUNG. DIE DISKUSSION ÜBER EINE WOCHENARBEITSZEIT STATT DES ACHT-STUNDEN-TAGS SEHEN WIR DAHER GRUNDSÄTZLICH POSITIV"

Andreas Degelmann, St. Augustinus Gruppe

Stephan Meiser erzählte von einem Angebot für die Mitarbeiter der Sparkasse Neuss, das sie bereits vor mehr als 15 Jahren eingeführt hat: „Auf der einen Seite steht die Arbeit, die immer komplexer und damit herausfordernder wird, auf der anderen Seite das private Leben mit ebenfalls immer neuen Herausforderungen. Wir brauchen resiliente Mitarbeiter, und daher möchte ich den Aspekt der Präventionsarbeit nennen. Wir bieten unseren Beschäftigten zusammen mit professionellen Partnern Hilfe an, etwa bei gesundheitlichen oder psychischen Problemen, oder wenn es um die Pflege von Angehörigen geht. Das alles geschieht anonym – und wenn etwas geregelt ist, einem die Last genommen ist, macht das auch den Kopf frei, und man ist wieder konzentriert bei der Arbeit“, berichtete der Meiser. Gabriele Steffens vom Weiterbildungsverband Mittlerer Niederrhein konnte das nur befürworten: „Durch Hilfe des Arbeitgebers in einer schwierigen Situation entsteht Dankbarkeit und der Wille, etwas zurückzugeben.“ 

Weniger Stunden im Job bedeutet auch nicht gleich weniger Identifikation mit dem Arbeitgeber. Und genauso wie es auch unter den aktuell oft kritisierten jungen Generationen viele wissbegierige Menschen gibt, so gibt es auch die Gruppe derer, die bei Work-Life-Balance den Schwerpunkt vor allem auf „Life“ legen. „Wenn wir Leute vermitteln, erleben wir auch Erwartungen, die sich nicht erfüllen lassen“, berichtete Stefan Doelle als Geschäftsführer der Wirtschaftsakademie Rheinland. „Die Betriebe erwarten dann erst einmal eine Probearbeit in der Früh- und in der Spätschicht, und bei der Frühschicht sind dann leider einige Bewerber schon wieder raus. Insbesondere von mittelständischen Handwerksbetrieben höre ich, dass sie nicht mehr ausbilden, weil die jungen Leute nicht mehr belastbar seien“, so Doelle über schlechte Erfahrungen am Arbeitsmarkt. 

"VOR 20 JAHREN WAREN DIE ERWARTUNGEN DER JÜNGEREN AUCH ANDERE ALS DIE DER ÄLTEREN GENERATION, DIE SCHON LÄNGER IM ARBEITSLEBEN STAND"

Marvin Schaber, Rheinpark-Center

Andreas Degelmann möchte die junge Generation aber nicht pauschal als faul und weniger arbeitsam beurteilen. „Ja, es gibt Eindrücke auf dem Arbeitsmarkt, die das vermitteln, und insbesondere kleine Unternehmen haben Schwierigkeiten, sich auf die Wünsche und Forderungen einzulassen. Aber sie müssen es, denn wir finden, wir haben eine hochgradig motivierte junge Generation. Allerdings ist die Schwäche des Bildungssystems ein Problem. Das Niveau bei Sprache und Rechnen ist deutlich gesunken“, so seine Analyse. Auch Marvin Schaber, Centermanager des Rheinpark-Centers in Neuss, differenziert: „Vor 20 Jahren waren die Erwartungen der Jüngeren auch andere als die der älteren Generation, die schon länger im Arbeitsleben stand“, sagte Schaber. „Allerdings wissen die heute 17-, 18-Jährigen – anders als früher – oft noch nicht, was sie machen wollen. Und durch die sozialen Medien wird ihnen dann noch ein falsches Leben suggeriert. Unsere Mietpartner haben zum Beispiel heute das Problem, Nachwuchs zu rekrutieren, der eine Bereitschaft hat, auch an Samstagen oder bis 20 Uhr zu arbeiten. Das war vor einigen Jahren noch leichter.“ 

Es gebe aber auch Neueinstellungen aus der heutigen Berufseinsteigergeneration, die vor Power strotzen und viele Potenziale mitbringen würde, sagte Saskia von Bülow. Hier bedürfe es gegebenenfalls anderer Rahmenbedingungen als bei Beschäftigten aus vorhergehenden Generationen, um sie im Unternehmen auch halten zu können. STEFAN REINELT


Die Teilnehmer des NGZ-Forums „Zukunft unternehmen“

Moderation: José Macias
Fotos: Alois Müller