ANZEIGE

Vital Das kleine Mehl-Einmaleins

Ob Pizza oder Biskuit, Panade oder Béchamelsauce: Ohne Mehl sind viele Köstlichkeiten nicht denkbar. Vor allem beim Backen gilt: Mehl ist nicht gleich Mehl. Wissenswertes über die wichtige Zutat.

Beim Roggen-Vollkornmehl werden solche ganzen Roggenkörner vermahlen. FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA-TMN

Wer immer nur zu Nummer 405 greift, macht etwas falsch. Wer meint, Kleber hat immer mit Basteln zu tun, irrt. Und wer sagt, dass er auf bestimmte Typen steht, spricht möglicherweise von seinen Backvorlieben. Es gibt viel zu wissen, wenn es ums Mehl geht. Die wichtigsten Fragen und Antworten von Experten rund um die verschiedensten Sorten.

Welche Mehlarten gibt es eigentlich?

Grundsätzlich wird zwischen Brotgetreiden (wie Weizen und Roggen) und Nichtbrotgetreiden (wie Reis, Hirse, Amaranth und Quinoa) unterschieden. Zunehmend besinnen sich Landwirte auch wieder auf seltenere Getreidearten wie Emmer und Dinkel. „Innerhalb der einzelnen Getreidearten gibt es dann unzählige Sorten“, sagt Lutz Geißler. Er ist Brot-Blogger und hat mittlerweile 18 Bücher zum Thema Brotbacken verfasst. In der Regel werden in der Mühle verschiedene Sorten einer Art gemischt, um Qualitätsschwankungen auszugleichen. Daraus werden Vollkorn- oder Typenmehle gemahlen.

Lecker Dinkel? Wer an Weizenunverträglichkeit leidet, verträgt möglicherweise Produkte aus Dinkelmehl besser. FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA-TMN
Lecker Dinkel? Wer an Weizenunverträglichkeit leidet, verträgt möglicherweise Produkte aus Dinkelmehl besser. FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA-TMN

Was bedeutet die Type?

Die unterschiedlichen Mehlsorten werden in Typen eingeteilt - in Deutschland nach einer DIN-Norm. „Jede Mehltype wird durch eine der Mehlbezeichnung nachgestellte Zahl charakterisiert“, sagt Geißler. Also etwa kurz Weizenmehl 405.

Die Type ist ein Maß für den Schalenanteil im Mehl. Sie kennzeichnet den Mineralstoffgehalt des Mehls in Milligramm bezogen auf 100 Gramm trockene Ausgangsmasse. „T 550“ bedeutet demnach: 550mg Mineralstoffe pro 100g Mehl. „Je höher die Type, umso kleiner das Brotvolumen, umso mehr Wasser muss in den Teig, und umso intensiver schmeckt das Brot“, so der Brotexperte.

Sagt die Type auch etwas über die Feinheit des Mehls aus?

„Überhaupt nicht“, sagt Bäckermeister und Brot-Sommelier Florian Lutz. „Type und Mahlgrad des Mehls haben grundsätzlich erst mal nichts miteinander zu tun!“ Auch Vollkornmahlerzeugnisse – die typenlos sind – kann man in verschiedene Feinheitsgrade einteilen. Die Feinheit wird vielmehr über die Bezeichnung definiert. Steht „Mehl“ auf der Verpackung, muss jedes Körnchen kleiner als 180µm (0,18mm) sein. Gröber sind Dunst, Grieß und Schrot. 

Warum hat Vollkornmehl keine Type?

Beim Vollkornmehl wird – wie der Name schon andeutet – das gesamte Korn vermahlen. Da die Type nur den Mineralstoffgehalt angibt und das Verhältnis von Schale zu Mehlkörper im Korn je nach Sorte und Erntejahr schwanken kann, lässt sich für Vollkorn keine Type definieren. „Sie wäre immer anders, würde man sie bestimmen“, sagt Geißler. Grob gesagt liege sie bei etwa 1800.

Der größte Unterschied zu anderen Mehltypen ist laut Florian Lutz, dass auch der komplette Keim enthalten sei: „Deshalb enthält es besonders viele Vitamine und ungesättigte Fettsäuren.“

Ist Vollkornmehl also besonders gesund?

„Im Volksmund sagt man es so“, sagt Florian Lutz. „Ich formuliere aber lieber: Es ist ernährungsphysiologisch wertvoller.“ Denn sonst würde der Umkehrschluss lauten, dass Weizenmehl 405 ungesund sei. „Das ist aber nicht der Fall. Es geht darum, wie und in welcher Menge ich es konsumiere.“ Schließlich könne auch eine Scheibe Vollkornbrot mit dicker Schokocreme ungesünder sein als ein gutes Weißbrot vom Handwerksbäcker, das mit Hüttenkäse und Tomate belegt sei. „Weizenmehl ist per se nicht schlecht – auch wenn es in den letzten 20 Jahren ein bisschen verteufelt wurde.“ Nicht zuletzt auch deshalb, weil es Menschen gibt, die unter einer Glutenunverträglichkeit (Zöliakie) leiden: einer Autoimmunerkrankung, bei der Gluten den Dünndarm schädigt.

Was eignet sich denn für welches Produkt?

„Ab 550er gilt die Regel: Je höher die Type, umso schlechter die Kleberqualität, also umso weniger locker das Gebäck“, sagt Lutz Geißler. Der Klebergehalt ist zu erkennen am Proteingehalt in der Nährwerttabelle, die Kleberqualität ist allerdings nicht auf der Verpackung abzulesen – höchstens bei Spezialmehlen quasi „verschlüsselt“ in Form von Gebäckempfehlungen. „Da hilft nur ausprobieren“, sagt der Profi. Die Qualitätsunterschiede sind innerhalb einer Type von Hersteller zu Hersteller, Erntejahr zu Erntejahr und Sorte zu Sorte extrem unterschiedlich. Generell gilt laut Lutz Geißler jedoch: Weizenmehl 405 ist ein Konditoreimehl mit eher schlechten Klebereigenschaften, deshalb passend etwa für Mürbeteige oder Biskuitmassen, aber nicht zum Backen mit Hefe oder Sauerteig. Als kleberstärker gilt Weizenmehl 550 oder Dinkelmehl 630. Das eignet sich für besonders fluffiges Gebäck wie Brötchen, Hefekuchen, Zopf, Croissant, Baguette, Weiß- und Toastbrot. Type 405 ist somit kein Allrounder, der für alles passt. „Man sollte immer mindestens zwei Mehltypen im Haus haben», rät Lutz Geißler. Denn sobald man mit Hefeteig arbeitet, reicht die 405 nicht mehr aus.

Und was verbirgt sich hinter Tipo 00?

Hierbei handelt es sich um eine italienische Mehltype aus Weizen. Sie entspricht vom Mineralstoffgehalt dem deutschen 405er-Weizenmehl, hat allerdings einen stärkeren Kleber und bietet sich je nach Kleberqualität sehr gut für Pizza, Ciabatta oder Croissants an. KATJA SPONHOLZ