130 verschiedene Ausbildungsberufe gibt es im Handwerk - ein enormes Spektrum, das weit über die traditionellen Berufe wie Bäcker, Tischler oder Installateur hinausgeht. Zudem ist ein Beruf im Handwerk zukunftssicher, bietet beste Karrieremöglichkeiten und lockt mit kreativen Herausforderungen und unzähligen Chancen, das eigene Talent zu entfalten, Bleibendes zu schaffen und sich eine sichere berufliche Zukunft aufzubauen, die voller Möglichkeiten steckt. Den Beweis für all das liefern zwei junge Talente aus Nordrhein-Westfalen, die 2024 zum Ende ihrer Ausbildung an der Deutschen Meisterschaft im Handwerk teilgenommen und in ihrem Berufszweig gewonnen haben.

Fabienne Piva: Die Künstlerin unter den Handwerkern
So ist die 24-jährige Fabienne Piva aus Kevelaer durch ihren weniger bekannten Beruf der Glasveredlerin ein Beleg für die große Vielfalt im Handwerk. Ihr Gesellenstück - ein Glasbild der Tarotkarte Nr. 13, „Der Tod“ - beeindruckte die Fachjury bei der Deutschen Meisterschaft. Das Bild, das sie zuvor in detaillierten Skizzen entwickelt hat, zeuge von einem großen zeichnerischen Talent und einem herausragenden fachlichen Niveau, urteilten die Juroren. Sie zeichneten sie daher auch als Siegerin im Design-Contest „Die gute Form“ aus. Kreativität ist also auch im Handwerk gefragt - und wird gewürdigt.
Dass Fabienne Piva einen kreativen Beruf erlernen wollte, stand für die junge Frau schon während der Schulzeit fest. Wohin die Reise gehen sollte allerdings nicht. „Für ein Studium konnte ich mich nach dem Abi, was bei mir mitten in die Corona-Zeit fiel, wegen der damaligen Beschränkungen nicht so recht begeistern“, erinnert sich die 24-Jährige. Ein Bekannter der Familie schlug ihr in dieser Zeit vor, einfach mal im Betrieb vorbeizukommen, in dem er arbeitet: beim Traditionsunternehmen Hein Derix, das sich auf die Fertigung und Restaurierung von Kirchenfenstern spezialisiert hat. „Ich habe dort dann ein Praktikum gemacht und danach war mir klar: Das ist genau das Richtige für mich“. Sie bewarb sich auf einen Ausbildungsplatz und legte im September 2021 mit der Ausbildung los.
„Weil ich mich auf die Glasmalerei spezialisieren wollte und sollte, habe ich in den ersten zwei Monaten nur auf Papier gemalt und Anatomiestudien betrieben, und geübt, den Faltenwurf von Gewändern und ähnlichem zu malen“, erzählt Piva. Dann erst begann sie, auf Glas zu malen. Aber auch in die anderen Bereiche und Techniken des Unternehmens wurde sie eingeführt. „Ich bin mit Kollegen auf Montage gefahren, wir haben Fenster von Kirchen ausgemessen, von diesen Fenstern Schablonen gemacht, nicht zu rettende Stücke aus den Fenstern rausgeholt, diese reproduziert und vieles mehr“, berichtet sie über die große Abwechslung in ihrem Beruf.
Nach der Ausbildung hat sie der Betrieb übernommen - wobei ihr Ausbilder ihr immer wieder rät, Kunst zu studieren. „Aber momentan bin ich glücklich da, wo ich bin. Mein Beruf ist mir sehr ans Herz gewachsen. Vielleicht mache ich noch den Meister“, überlegt sie und fügt hinzu: „Das ist ja das tolle an einer Ausbildung - man kann sich noch in ganz viele Richtungen weiterentwickeln.“
André Pauly: Meister der Kältetechnik
Eine Meinung, die André Pauly aus Neuss fast wortwörtlich auch vertritt. Dabei hat er einen ganz anderen Beruf gelernt. Nach dem Abitur und einem kurzen Abstecher ins Studium hatte der heute 24-Jährige sich für eine Ausbildung bei der KKL GmbH in Düsseldorf entschieden. Der Grund: Kältetechnik sei extrem vielfältig und sehr zukunftssicher, da sie sich in jedem Lebensbereich wiederfinde. „Kältetechnik ist überall: in Supermärkten, Klimaanlagen, Bierkühlern, in den Autos von Bofrost und Co. und sogar bei Bestattern“, listet er auf. Und: „Man lernt vom Monteur bis zum Projektleiter alles kennen. Nach der Ausbildung stehen einem alle Wege offen.“
Dass er während seiner Ausbildung auch viel gelernt hat und weiß, das Gelernte umzusetzen, bewies Pauly bei der Deutschen Meisterschaft im Kältetechnik-Handwerk. Seine Prüfungsaufgabe: eine umweltfreundliche Propan-Kälteanlage für eine Flaschenkühlung bauen. „Ich musste Kupferrohre biegen, ein Ventil installieren und die gesamte Anlage testen. Am Ende war ich überrascht, wie gut alles funktioniert hat“, berichtet er. Mit dem Sieg habe er dennoch nicht gerechnet. Umso mehr freut er sich nun darüber - ebenso wie auf die nun folgende Teilnahme an der Europameisterschaft.

Welche Aufgabe er dort zu bewältigen hat, steht noch nicht fest. Wie es nun nach der abgeschlossenen Ausbildung beruflich weitergeht dagegen schon: „Im März starte ich in Vollzeit an der Meisterschule“, erzählt er. Die Möglichkeit, als Geselle zu arbeiten und parallel den Meister zu machen, kam für ihn nicht in Betracht. „Ich will mich voll auf meine Weiterbildung konzentrieren und den Meister schon nach gut einem Jahr und nicht erst nach drei oder vier Jahren haben. Danach stehen mir viele Möglichkeiten in alle Richtungen offen, vom Projektleiter bis zum Selbstständigen“, erklärt er.
Ein weiterer Vorteil, den der 24-Jährige in einer handwerklichen Ausbildung sieht: „Man lernt, Verantwortung zu übernehmen und sich selbst besser einzuschätzen. Und das Beste ist, man sieht am Ende eines Tages, was man geschaffen hat.“
Seine Botschaft an Jugendliche ist klar: „Eine Ausbildung ist auch nach dem Abitur - ein super Start. Man lernt viel, hat etwas in der Hand und kann immer noch studieren, wenn man will.“ Fabienne Piva fügt einen weiteren Ratschlag hinzu: Man sollte sich Zeit nehmen herauszufinden, was die eigenen Stärken seien und was man gerne mache. „Und dann sollte man versuchen, Berufe, die dazu passen, durch Praktika kennenzulernen.“ Denn vielfach wisse man gar nicht, was alles hinter einem Beruf steckt und welche Berufe es alles gebe. „In meiner Stufe waren so viele, die nach dem Abitur sofort ein Studium begonnen und wenig später wieder abgebrochen haben, das bringt niemanden was. Die Zeit sollte man sich lieber für die Berufswahl nehmen“, sagt sie. Und: Nur weil man die Voraussetzung für ein Studium erfülle, solle man eine Ausbildung im Handwerk nicht einfach ausschlagen. Dazu habe die Branche viel zu viel zu bieten.
Beate Berrischen