Unternehmen stehen heute nicht nur im Wettbewerb mit ihrer Konkurrenz, wenn es um Kunden und neue Aufträge geht. Auch als Arbeitgeber müssen sie gut verhandeln und das beste Angebot unterbreiten. Denn der Fachkräftemangel in zahlreichen Branchen sowie veränderte Lebensweisen und Erwartungen aufseiten der Arbeitnehmer als noch vor 20 Jahren machen es notwendig. Das eint alle Arbeitgeber – und so lohnt sich auch ein Blick über das eigene Betriebsgelände, die eigene Branche, hinaus und sich mit anderen Geschäftsführern, Vorständen und Personalchefs auszutauschen. Diese Gelegenheit bot die neueste Auflage des NGZ-Forums „Zukunft unternehmen“ zum Thema „Unternehmenskultur mit Weitblick“ im Haus der Johanniter Niederrhein in Neuss.
Jedes Unternehmen folgt einem Leitbild oder lebt eine Philosophie, für die es steht. Große Konzerne schreiben einen Kodex nieder, beim kleinen Handwerksbetrieb ist alles vielleicht nur im Kopf und Herzen gespeichert und wird unmittelbar vom Chef oder der Chefin an die Beschäftigten weitergegeben. Auch die Historie und Struktur prägen die Firmenkultur. Familienunternehmen und inhabergeführte Betriebe stehen häufig besonders stark für Werte, soziale Verantwortung und ihre regionalen Wurzeln. Für Arbeitnehmer, die auch einen „Sinn in ihrer Arbeit“ sehen möchten, ein großer Aspekt. Aber sie suchen heute auch ein großes Maß an Selbstbestimmtheit und Flexibilität in ihrem Job. Das können dann vielleicht andere besser bieten.

Aber sind die Arbeitnehmer in ihrer Verhandlungsposition inzwischen zu stark geworden? Hat bei einer Work-Life-Balance die Freizeit inzwischen das größere Gewicht? Der neue Bundeskanzler Friedrich Merz sagt, wir müssten wieder mehr arbeiten. Die deutsche Wirtschaft muss wieder in Schwung kommen. Das klappt nur mit Produktivität. Allerdings werden Teilzeitangebote ausgebaut und von den Beschäftigten gerne angenommen. Doch wer übernimmt dann die „offenen“ Stunden? Es stehen immer weniger Arbeitskräfte zur Verfügung. Der demografische Wandel sorgt dafür, dass mehr Menschen in Rente gehen, als neu auf den Arbeitsmarkt kommen.
Das NGZ-Forum „Zukunft unternehmen“ hat mit seinen Teilnehmern auf den Status quo geschaut und ebenso den Blick in die Zukunft gewandt. Was bedeutet Unternehmenskultur für sie als Arbeitgeber? Welche Rolle spielt hier der Faktor Mitarbeiter? Homeoffice, Gesundheitsangebote, Weiterbildung – welches Faustpfand bringen sie ein, um die besten Arbeitskräfte für sich zu gewinnen – und dann auch zu halten? Die Runde konnte einen vielschichtigen Einblick geben, die Teilnehmer vertraten unterschiedliche Sichtweisen auf die Fragestellungen. Aber sie hatten auch vieles gemeinsam.
Jürgen Steinmetz vertritt als Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein rund 80.000 Unternehmen im Rhein-Kreis Neuss, im Kreis Viersen und in den Städten Mönchengladbach und Krefeld. Er ist aber auch Arbeitgeber und Chef für 160 Mitarbeiter. Gabriele Steffens und Stefan Doelle vom Weiterbildungsverband Mittlerer Niederrhein berichteten beim Forum aus dem Bereich der Qualifizierung von Arbeitskräften – sie sind aber auch selbst Arbeitgeber, nämlich als Geschäftsführer der Wirtschaftsakademie Rheinland (Doelle) beziehungsweise als Bereichsleiterin bei Kolping Bildung Deutschland (Steffens). Richard Krings, Regionalvorstand der Johanniter Niederrhein, und Andreas Degelmann, Geschäftsführer der St. Augustinus Gruppe, vertreten Arbeitgeber, die auf christlichen Grundfesten aufgebaut wurden. Als öffentlich-rechtliche Einrichtung wird auch von der Sparkasse Neuss eine besondere soziale Verantwortung erwartet: Wie man dieser nachkommt, erläuterte Unternehmenssprecher Stephan Meiser. Aus der Industrie berichteten Saskia von Bülow und Thomas Düttchen von den Neuss-Düsseldorfer Häfen (NDH). Marvin Schaber vom Rheinpark-Center Neuss arbeitet für einen Großkonzern, der aus Hamburg gelenkt wird, und Friedemann Just von Kieser kennt die Strukturen in einem Franchiseunternehmen.
Auf den folgenden Seiten lesen Sie mehr über Unternehmenskultur, was sie heute ausmacht und wie sie jeden Tag gelebt wird. STEFAN REINELT