Am runden Tisch des NGZ-Forums „Zukunft unternehmen“ haben Vertreter aus unterschiedlichsten Branchen und Verbänden teilgenommen. Das ermöglichte eine vielschichtige Diskussion und einen Austausch, aus dem jeder Teilnehmer auch für sich etwas mitnehmen konnte. Das zentrale Thema des Forums, die Unternehmenskultur, kommt auch in ihrem beruflichen Alltag immer häufiger ins Gespräch. Als Vertreter der Arbeitgeberseite können sie nicht nur Vorstellungen darüber haben, sie müssen auch wissen, was und wie es sich eben im Alltag umsetzen lässt – und vor allem, wie diese Kultur mit Leben zu füllen ist.

„Für uns ist Unternehmenskultur ein hoch spannendes Thema, vor allem in einer säkularisierenden Welt“, sagte Andreas Degelmann, seit drei Jahren Geschäftsführer der St. Augustinus Gruppe, einem Unternehmen im Gesundheitswesen mit mehr als 7500 Beschäftigten, das durch Ordensschwestern und -brüder geprägt ist und deren christliche Werte weiterhin gelebt werden. Die Gruppe hat vor zweieinhalb Jahren einen sehr umfassenden Transformationsprozess angestoßen. Der Strategieumsetzungsprozess ist dabei das führende System. Dabei sei es unter anderem um Fragen der Führungskultur und des Führungsverständnisses gegangen. Nun breche man dies auf andere Aspekte herunter, berichtete Degelmann. Für ihn gehe es bei Unternehmenskultur nämlich auch um Haltung. „Haltung – und Verhalten – kann ich verändern. Deswegen haben wir den Ansatz über die Führungskultur gewählt, um dann zu schauen, was unsere Leitlinien sind. Dazu haben wir zunächst einen Strategieprozess und daraus folgend einen Leitbildprozess angestoßen, der dann tiefer verankert wird im Strategieprozess“, erläuterte Degelmann.
Saskia von Bülow, Leiterin Personal und Recht bei den Neuss-Düsseldorfer Häfen (NDH), brachte es in ihrem Eingangsstatement klar auf den Punkt: „Unser größtes Gut sind die Mitarbeitenden – und ohne gesunde Unternehmenskultur keine guten Mitarbeitenden.“ Ihr Kollege und Unternehmenssprecher Thomas Düttchen überraschte mit einer Aussage, die man bei einem industriell geprägten Arbeitgeber vielleicht nicht direkt erwarten würde: „Bei uns hat sich die Belegschaft zu einer kleinen Familie entwickelt. Viele Mitarbeitende haben eine langjährige Zugehörigkeit zum Unternehmen. Das ist auch eine Art Novum in der Branche.“ Um auch körperlich anstrengende Jobs möglichst lange bewältigen zu können, und andersherum bei sitzenden Tätigkeiten nicht träge zu werden, bietet Friedemann Just das seit 1967 bewährte Kieser-Konzept an. Auf der Grundlage wissenschaftlich gesicherter Erkenntnisse wird gesundheitsorientiertes Krafttraining als präventive und therapeutische Maßnahme angeboten. Um auf die unterschiedlichen Wünsche und Ziele der Kunden eingehen zu können, sei es wichtig, dass die Mitarbeiter neben dem fachlichen Know-how auch Empathie mitbringen, sagte Just, dessen ältester Kunde vor Kurzem 99 Jahre alt geworden ist und seit 20 Jahren zum Training kommt. Aus diesem Grund werden alle Mitarbeiter vom Bachelor-Studenten bis zum Quereinsteiger durch die interne Ausbildung zum Kieser-Instruktor in der eigenen Akademie ADOK (Ausbildung- und Dokumentationsstelle) auf ihre zukünftigen Aufgaben vorbereitet, erläuterte der Geschäftsleiter für das Studio in Neuss.
Aus- und Weiterbildung beschäftigt Gabriele Steffens und Stefan Doelle vom Weiterbildungsverband Mittlerer Niederrhein jeden Tag – als ehrenamtliche geschäftsführende Verbandsvorstände wie auch als Arbeitgeber von Bildungsträgern, nämlich der Wirtschaftsakademie Rheinland (Doelle) und Kolping Bildung Deutschland (Steffens). „Mitarbeiter müssen nicht nur gut ausgebildet sein, sondern sich auch wohlfühlen. Das projiziert sich dann auch auf die Kunden – und nur zufriedene Kunden kommen dann auch wieder“, sagte Steffens. Ihre Führungskultur haben die beiden auch auf den Verband übertragen. „Wir haben einen Kodex definiert für ein gutes Miteinander. Unsere wachsende Mitgliederzahl auf aktuell 64 spricht dafür. Damit repräsentieren wir rund 70 Prozent aller Bildungsträger in der Region“, berichtete Stefan Doelle.
Gabriele Steffens, Weiterbildungsverband Mittlerer Niederrhein
Marvin Schaber ist der Leiter des Rheinpark-Centers, das von der ECE Marketplaces gemanagt wird; die ECE ist seit der Gründung 1965 im vollständigen Besitz der Familie Otto. „Dementsprechend haben wir auch eine wertschätzende Unternehmenskultur“, sagte Schaber. Auch der Konzern arbeite nach klaren Leitbildern und Werten, doch er als Centermanager sei insbesondere dafür verantwortlich, diese Rahmenbedingungen im Rheinpark-Center umzusetzen – auf der einen Seite bei den Mitarbeitern, auf der anderen interdisziplinarisch bei Mietpartnern vor Ort, die auch alle als Unternehmer agieren. „Wir haben rund 100 Shops im Rheinpark-Center und damit auch die unterschiedlichsten Menschen und Persönlichkeiten, die hier unter einem Dach arbeiten. Ein Wohlbefinden zu schaffen, ist ein dauerhafter Prozess“, beschrieb Schaber die Herausforderung für ihn.
Ähnlich der breiten Palette an Geschäften im Einkaufszentrum beschrieb Richard Krings, Regionalvorstand der Johanniter, seinen Arbeitsplatz: „Es hat sich in den vergangenen Jahrzehnten ein bunter Bauchladen an Dienstleistungen entwickelt“, sagte er. Die Mitarbeiter hätten in der Regel eine hohe intrinsische Motivation, wollten etwas Sinnvolles tun und erreichen. „Hinzu kommt, dass wir ihnen die Johanniter-DNA weitergeben möchten, also genau die Werte, die wir seit mehr als 70 Jahren in der Organisation beziehungsweise seit Jahrhunderten im Johanniterorden leben. Diese Werte an die zukünftigen Generationen zu vererben, an die modernen, neuen Gegebenheiten angepasst, treibt die Führungskräfte um und bedarf vieler Ideen.“ Das Ganze sei untermauert vom christlichen Grundgedanken, wobei eine weitere Differenzierung heutzutage gerade im Hinblick auf den Fachkräftemangel sehr schwierig sei, so Krings. Das könne man sich nicht erlauben.
Die Sparkasse Neuss gehört als öffentlich-rechtliches Geldinstitut zu denjenigen, die das lokale Unternehmertum auf ein finanziell abgesichertes Fundament stellen. „Unternehmenskultur ist ein knallharter Erfolgsfaktor“, sagte Unternehmenssprecher Stephan Meiser. Das gelte insbesondere für sein eigenes Geschäftsgebiet. „In der Finanzbranche geht es um das eigene Portemonnaie, da spielt Vertrauen also eine große Rolle. Und Vertrauen entsteht nach unserer Überzeugung auch in einer digitalen, vielleicht sogar KI-affinen Welt nur zwischen Menschen. Und deshalb ist es folgerichtig, den Menschen für uns in den Mittelpunkt zu stellen. Darauf müssen wir unsere Mitarbeiter vorbereiten – und je besser sie gewappnet sind, umso motivierter sind sie. Und je leidenschaftlicher sie sich für das Unternehmen einsetzen, umso mehr ist das auch ein Erfolgsfaktor für uns.“
Für das große Ganze nahm Jürgen Steinmetz, Hauptgeschäftsführer der IHK Mittlerer Niederrhein, an der Diskussionsrunde des NGZ-Forums teil. „Ich schaue aus zwei Perspektiven auf das Thema, zum einen aus dem Blickwinkel unserer rund 80.000 Mitgliedsunternehmen, zum anderen als Arbeitgeber von 160 Mitarbeitenden an drei Standorten“, erläuterte er. Von der Bedeutung einer positiven Unternehmenskultur sei er total überzeugt. „Wir leben in einer Welt der Veränderung. Wir reden viel über Energiepolitik, die geopolitische Situationen, Bürokratie und die Infrastruktur. Das Thema Fachkräftemangel bleibt uns allerdings erhalten, es ist weiterhin ein wesentliches Geschäftsrisiko unserer Unternehmen“, sagte Steinmetz. Um gute Mitarbeiter zu finden und zu binden, komme es auf eine große Arbeitgeberattraktivität und eine positive und zukunftsorientierte Haltung an. Und da könne er anknüpfen an einen seiner Vorredner, Andreas Degelmann von der St. Augustinus Gruppe.„Denn unsere Haltung bestimmt unser Handeln.“ STEFAN REINELT